niki de saint phalle - niki "vom heiligen phallus"

ein wenig kultur in stichworten gefällig?
1930 wird sie als „depressionsbaby“ in einem vorort von paris geboren, wächst abwechselnd in frankreich und amerika auf.
ihr vater, ein französischer adeliger und bankier und ihre mutter, amerikanische hausfrau, erziehen sie streng moralisch und schicken sie in eine new yorker klosterschule, an dessen wertesystem der etablierten welt sie sich jedoch nicht anpassen will und nach vielen schulwechseln 1947 das abitur in maryland macht.
sie arbeitet als fotomodell, was sich mit ihrer vorliebe zur mode und kleidung verbindet, und besucht eine schauspielschule.
1951 kommt die gemeinsame tochter laura auf die welt - der vater ist ihr mann harry mathews. nun holt niki doch die, von ihrer mutter vorgelebten, typische frauen- und mutterrolle ein: für sie schränkt das ihr recht auf erfüllung der persönlichen ziele und wünsche ein und sie erleidet ihren ersten nervenzusammenbruch.
aufgrunddessen und dem konflikt zwischen pflicht und selbstverwirklichung besucht sie eine therapie, in der 1953 ihre ersten und „heilenden“ ölbilder entstehen, nachdem die angewandten elektroschocks nicht griffen...
sie entdeckt die möglichkeit, durch die übertragung der gefühle, ängste, gewalt, hoffnungen und freude ein künstlerisches werk zu schaffen, was ihr eine erlösung verschafft und das wiederum zur notwendigkeit wird.
die formen in ihren bildern verdichten sich zu teppichartigen strukturen, welche sie mit ornamentik, meditativ und mit sinn fürs detail überzieht - realität vermischt sich mit märchen und traum. vele dieser motive entwickelten sich im nachhinein als ein persönliches, immer wiederkehrendes repertoire an symbolen und metaphern: eindrücke von der welt, die klosterschule und deren erzkatholische erziehung, männliche und weibliche rollenverteilung und gesellschaftliche zwänge.
das autodidaktische Malen gibt ihr den lebenswillen zurück: mit der kunst will sie verschmelzen, kunst will sie leben.
1955 wird ihr sohn philip geboren und jean tinguely, ein maler, bildhauer und experimental-künstler tritt in ihr leben.
ihr fester wille bringt sie auf ein künstlerisches stilmittel, mit dem sie in der zukunft ihre probleme lösen wird, die metamorphose. sie entdeckt, dass es außer der ölfarbe andere materialien gibt, die sich bildfähig verarbeiten lassen. sie beginnt, reliefe imaginärer landschaften mit objekten herzustellen - statt ölfarbe nutzt sie gouache und lackfarbe, verarbeitet beile, messer und pistolen und montiert diese in assemblagen und collagen.
schmerzhaft wird ihr im umgang mit anderen künstlern (u.a. duchamps, spoerri) klar, dass sie noch nicht deren status erreicht hat, denn ihre professionalität wird ihr abgesprochen und sie fühlt sich als ehefrau eines schriftstellers degradiert.
1960 erfolgt die trennung von ihrem mann, der mit den gemeinsamen kindern auszieht.
„portrait of my lover“ entsteht: eine assemblage aus herrenhemd und krawatte mit einer zielscheibe aus einem dartspiel als kopf. niki empfindet spaß daran, pfeile nach seinem kopf zu werfen, befreit sich dadurch vom gefühl der abhängigkeit.
es kann für jeden, der in der liebe enttäuscht wurde, zum medium werden => bedeutung und universalität.
daniel spoerri und jean tinguely sind sofort von dem werk begeistert und stellen es aus - nikis erster wirklich künstlerischer erfolg: sie beobachtet, wie die betrachter selbst die pfeile werfen und somit in das künstlerische konzept mit eingreifen.
in ihr erwacht die vorstellung, ein bild bluten zu lassen und mit tinguelys hilfe entsteht es, das erste „tir“: ein holzbrett wird mit farb-, spaghetti-, tomaten und eierbeuteln „belegt“ und mit gips überdeckt.
im februar 1961 wird sie nun auch als aktionskünstlerin aktiv und bittet ihre freunde „zum schuss“. die weißen, unschuldigen gipsreliefe stehen in einem hinterhof von paris und warten darauf, durch eine nicht gekannte art sich selbst zu verwandeln. die gäste werden zum werkzeug dieser veranstaltung, indem sie zur waffe greifen und auf kunst schießen: jeder kommt dran, jeder schießt, jeder ist gefesselt.
die Reliefe verändern sich, nicht nur in der form, sondern auch in der farbe. die „innereien“ treten hervor und lassen das bild triefen, es wird zunehmend skurriler und bunter. es stirbt, um wiederzuerstehen. mit dem letzten schuss setzt sich bei niki erleichterung, zufriedenheit ein, denn das wesentliche war geschafft - der prozess des entstehens.
1960 gründung der „nouveaux réalisme“, eine gruppe von künstlern, in die Niki noch während ihrer ersten schießaktion aufgenommen wird.
noch im februar ´61 findet die zweite aktion statt: niki empfindet das gefühl, auf ein bild zu schießen und zu sehen, wie es sich selbst verwandelt, als sexy, aber auch tragisch, da man in dem moment des einschusses gleichzeitig zeuge einer geburt und eines todes wird. sie begeistert sich für die mischung aus liebe und tod. kontraste liebt sie – neben harmonie muss es ebenfalls disharmonie geben.
ihr temperament nährt sich auch aus einem brennenden zorn. schon als kind erlebte sie, wie ihr vater die vorteile seiner männlichen rolle genoss, seine frau mehrfach betrog und sich von jeglichen pflichten im haushalt befreite. auch niki wollte als frau freiheiten besitzen, die macht der männer auch für sich einfordern. und mit eben dieser schussbereitschaft dringt sie als emanzipierte, kraftvolle künstlerin in eine domäne der männer ein.
durch jeden schuss entlädt sie ihre wut, sie ist bereit, symbolisch zu töten.
es folgen mehrere dieser aktionen, wobei die größeren formate die tragik des aktes erhöhen: die zeit, in der das bluten läuft, wird länger und dehnt das leiden. in anderen reliefen kann man ansammlung von alltäglichen gegenständen (bezug zur realität) entdecken. einmal musste ein spezieller wachmann das schießen übernehmen, weil die galerie die verantwortung nicht übernehmen wollte.
im juni 1961 findet die erste einzelausstellung „feu à volonte“ (feuer nach belieben) niki de saint phalles in der galerie j einer befreundeten künstlerin in paris statt. die arbeiten werden sowohl von ihr, ihrem neuen partner, ihrem ex- mann, den kindern und vielen anderen helfern angefertigt - für niki ist das kunstschaffen eine öffentliche angelegenheit.
die besucher sollen ihre persönlichen aggressionen und denen auf die moderne kunst freien lauf lassen und schießen, sich ästhetisch abreagieren. unter den gästen befinden sich jasper johns, leo castelli, die nouveaux réaliste, robert rauschenberg und zahlreiche künstlerfreunde. die künstlerin selbst erscheint in einem weißen, mädchenhaften rüschenkleid und so manch ein chanelkleid sieht nach vollendung, die durch den zuschauer bestimmt wird, jackson - pollok – artig dekoriert aus.
technisch experimentiert sie jetzt, sucht raffinierte effekte und findet mit tinguely einen partner, der die technischen probleme beseitigen kann. er sprüht vor energie, wie seine maschinen ist er immer in funktion. es wird eine fruchtbare verbindung von feuer und wasser, er wird arbeitskamerad, geliebter und gleichzeitig rivale.
erst ab 1965 entstanden die, durch ihre überdimensionale rundungen und farbenfrohen bemalung prägnanten nanas – frauenfiguren, durch die sie weltweit erfolgreich wurde.
fortsetzung folgt - bei zeiten...
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